Das Cryptron und die Wirtschaft

.

Das Cryptron kann durch Vertragsabschluesse, Bestellungen und Micropayment das Internet zum bedeutensten Handelsmedium machen. Diese Entwicklung wurde dem Internet schon laenger vorausgesagt. Durch Unsicherheit bei der Transaktion, meist durch Weitergabe der Kreditkartennummer, war dies bisher nicht realisierbar. Das Cryptron haette diesen lang erwarteten Wirtschaftsboom per Internet ermoeglicht. Aber es haette noch weit bedeutendere Perspektiven gehabt. Dies betrift ein grundlegendes Problem der derzeitigen Weltwirtschaft. Obwohl es alle betrifft ist es der breiten Oeffentlichkeit wenig bekannt. Darum sei es hier zunaechst naeher erklaert.

Von Bretton Woods zum Casino-Kapitalismus

In Bretton Woods wurde 1944 ein System entwickelt das es Staaten erlaubte Wechselkurse untereinander festzulegen. Ausserdem wurde dem internationalen Geldtransfer Beschraenkungen auferlegt. Dies alles geschah durch Uebereinkunft von Regierungen und Zentralbanken mit den in Bretton Woods entworfenen Institutionen "Weltbank" und "Internationaler Waehrungsfond" (IWF). Der Aufbau Europas und Japans und der steigende Wohlstand auch der Arbeiter in der westlichen Welt bis in die 70er Jahre verdankte man dem System von Bretton Woods. Dieses System war konzipiert den Handel mit realen Waren zu foerdern und spekulative Finanztransaktionen zu erschweren. Historiker nennen die Epoche von 1945 bis 1970 die "Goldene Zeit des Staatskapitalismus".

Anfang der 70er Jahre waren die weltweiten Kommunikationsmittel so fortgeschritten, das spekulative Finanztransaktionen fuer immer mehr Beteiligte immer einfacher zu realisieren waren. Gab es in den 50ern erst ein transatlantisches Telefonkabel so war nun ueber Satelliten ein weltweiter Devisenhandel in Echtzeit per Telefon zu geringen Kosten moeglich. Per Datenleitungen folgten bald die anderen Boersen (Aktien, Renten, Derivate, Waren/Termin, usw).

Es konnten sich so immer groessere Gruppen von Spekulanten fuer gemeinsame Aktionen zusammenfinden. Erste erfolgreiche Spekulationsangriffe auf die Waehrungen fuehrender Industriestaaten gab es bereits waehrend der 60er Jahre. Mit Einfuehrung der bereits 1944 von John Maynard Keynes vorgeschlagenen "Sonder Ziehungs Rechte" haette man das System weiterhin stabil halten koennen. Doch durch den finanziellen Druck des Vietnam Krieges in den USA und der Angst eines uebergreifens der dortigen Inflation nach Europa kam es zu Entscheidungen der Regierungen in USA, GB, dann D, CH und NL die Anfang der 70er zur Aufhebung des Bretton Woods Systems fuehrte. Die Bretton Woods Institutionen wie Weltbank und IWF existieren zwar weiter, ihre Politik ist nun aber eine andere. Dem spekulativen Devisenhandel, die Hauptbedrohung die man 1944 fuer die Weltwirtschaft sah, wurde nun Tuer und Tor geoeffnet.

Die Folge war eine Katastrophe fuer die Weltwirtschaft deren Hoehepunkt uns noch bevorsteht. Was man 1944 befuerchtete und wovor viele Experten 1970 warnten trat nun ein. Im Jahre 1970 waren 90% aller Transaktionen Teil der realen Wirtschaft (Handel und langfristige Investitionen), der Rest war spekulativ. 1995 waren dann etwa 95% der Transaktionen spekulativ, davon 80% mit einer Turn around Zeit von unter einer Woche.

Taeglich wurden nun etwa 70 mal mehr Devisen gehandelt als Gueter. Diese Rate duerfte sich 2001 auf das ueber 100 fache erhoeht haben. Der Geldmarkt hat sich damit voellig vom Warenmarkt geloest.

Die Summe die da zirkuliert ist gigantisch. Es werden taeglich ueber 1000 Milliarden Dollar spekulativ konvertiert. Das ist mehr als die sieben fuehrenden Industrienationen zusammen ueberhaupt an Fremdwaehrungsreserven besitzen. Nach einer Schaetzung der Weltbank betrug 1993 das globale Bruttosozialprodukt etwa 23600 Milliarden Dollar. Zur gleichen Zeit standen den internationalen Finanzinstitutionen, fast nur private Banken, eine gesammte Geldsumme von 14000 Milliarden zur Verfuegung. Der gesammte US Staatshaushalt war nur etwa ein Zehntel so gross, der deutsche Bundeshaushalt nicht mal ein fuenfzigstel.

.

Der Kurs der Weltwirtschaft

Kein Staat, keine Regierung, keine Zentralbank kann diese Geldstroeme noch kontrollieren. Die Geldmittel der Regierungen sind einfach zu winzig gegen diese Riesenwelle. Dieses ausser Kontrolle geratene Geld diktiert den Laendern der Welt die Politik - nach den Gesetzen des Marktes. Die Institutionen von Bretton Woods, die einstmals Wohlstand schufen, fuehren heute zur Verringerung des Lebensstandards. Am deutlichsten in der 3. Welt. Braucht eine Regierung dort Kredite fuer Oelkaeufe muss sie auf Forderung des IWF erst mal die Ausgaben fuer Bildung, Arbeit und Soziales reduzieren. Kommt es irgendwo zu Hungerrevolten, so hat meist der IWF zuvor dafuer gesorgt, dass die Regierung die Subvention fuer Nahrungsmittel aufgab.

Weltbank und IWF wurden die bevorzugten Hassobjekte all derer die Menschlichkeit in der Weltwirtschaft fordern. Von allen die fordern, dass der Mensch und seine Beduerfnisse im Mittelpunkt der Wirtschaft stehen. Auch die Wirtschaft der Industrielaender wird von diesem unkontrollierten Geld massiv beeinflusst. Es ist den Menschen nur nicht so offensichtlich wie in den aermeren Laendern.

Die Grundlage der Wirtschaft sind Beduerfnisse, Angebote und Geld um beides zu verbinden. Ueblicherweise horten Menschen Geld aus Angst irgendwann ihre Beduerfnisse nicht befriedigen zu koennen oder um Macht ueber andere Menschen zu gewinnen oder gar nur als Statussymbol. Damit wird Geld selbst zum Wert. Da die Wirtschaft, die Anzahl der vorhandenen Gueter, waechst muss auch die Geldsumme anwachsen, das Geld muss Zinsen bringen. Die Qualitaet einer Geldanlage wird ueblicherweise durch ihre jaehrliche Verzinsung bestimmt. Mit reinem Geldhandel kann man heute eine deutlich hoehere Verzinsung erhalten als beim Handel mit Waren.

Beim Devisenhandel spekulieren Haendler auf fallende oder steigende Wechselkurse. Kauf und Verkauf koennen innerhalb weniger als einer Minute geschehen. Telefonisch, kein Deal unter 10 Millionen US Dollar, haeufig das hundertfache oder noch mehr. Wie immer bei Geldspekulationen gewinnen die, die das Verhalten von anderen am besten voraussehen. Entweder weil sie auch mit der Verbreitung von Nachrichten zu tun haben oder weil sie so grosse Geldmengen bewegen koennen das sie damit den Markt direkt beeinflussen. Bei den Grossen ist meist beides der Fall. Die Verzinsung die diese erreichen kann gut das mehrfache normaler Marktteilnehmer ausmachen. Dieser Markt ist ein gutes Beispiel, dass man mit mehr Geld (als andere) auch leichter hoehere Verzinsung erhaellt.

Dies laeuft ebenso bei der Aktienboerse, nur weniger leicht erkennbar. Im 19. Jahrhundert dienten Aktien tatsaechlich wesentlich dazu Firmen Geld fuer Gueter und Anlagen zu beschaffen. Aber bereits um 1900 war das US Eisenbahnsystem in marodem Zustand obwohl die Gesellschaften sehr viel freies Kapital besassen. Ein Untersuchungsausschuss fand heraus, dass die Firmen dieses Geld brauchten um sich gegen feindliche Uebernahmen durch Aufkauf ihrer Aktien wehren zu koennen. Der Aktienhandel war zur Bedrohung geworden.

Seit den 1960ern wurde es dann ueblich Firmen aufzukaufen deren Boersenwert wegen zu geringer Spekulationserwartung (zu wenig Medien Hype) geringer war als der Wert von Grundstuecken und Maschinen. Der Besitz der Firmen wurde dann versteigert und in alle Winde verstreut. Dies traf auch Firmen die ohne Schulden und sehr erfolgreich in ihrer Branche waren. Der Raubzug der Spekulanten begann.

In den 1980ern ersonnen findige Banken dann Wege um aus dem Aktienhandel noch schneller Geld zu gewinnen. Man propagierte Derivate. Die bekannteste Form, der Optionsschein, ist letztlich nur eine Wette das eine Aktie zu einem bestimmten Zeitpunkt einen bestimmten Wert hat. Die Kursbewegungen des Scheines koennen gut das zehnfache der Veraenderung der Aktie ausmachen. Das Handelsvolumen an Derivaten ist heute um das vielfache hoeher als das an Aktien. Vom Volumen spielen Aktien selbst keine Rolle mehr. Da die Banken voellig legal durch Kaeufe und Verkaeufe auch am Aktienkurs drehen koennen sind sie natuerlich meist die Gewinner bei der Spekulation.

Dies sind Beispiele von Geldhandel der eigentlich rein virtuell ist, es geht nicht um reale Produkte, meist liegt keinerlei Ware mehr zugrunde. Es ist eher ein reines Spielcasino. Allerdings hat die Bank ganz legal die Kugel und die Karten gezinkt.

Dieses Spiel zieht massiv Geld aus der realen Warenwirtschaft heraus. Anfang 2001 betrug der Wert der im Dow-Jones-Index ausgewaehlten Aktien das 1,4 fache des Bruttoinlandsproduktes der USA. Wieviel Geld im Derivaten- oder gar im Devisenmarkt gebunden ist kann man nur vermuten. Diese Geldsumme im Casino fehlt aber der realen Wirtschaft. Wenn unbedarfte gut bezahlte Journalisten taeglich in ihren Kommentaren die Boerse mit der Wirtschaft gleichsetzen ist das dann nur noch schauerlich.

Als nach dem Ende von Bretton Woods in den 70ern das Geld aus der Wirtschaft ins Casino stroemte war dieser Vorgang nur fuer Experten erkennbar. Das Bruttosozialprodukt (BSP) stieg nach wie vor, die Art wie es erwirtschaftet wurde begann sich aber zu aendern. Sowohl die Transaktionen als auch die Produktionen die es beeinhaltete veraenderten sich. Immer groessere Teile der Arbeitnehmer der Industrienationen hatten einen immer geringer werdenden Anteil am Geldbesitz und Geldumlauf des Landes. Die Armen wurden aermer, die Reichen viel reicher, aber immer weniger Menschen konnten ihre Beduerfnisse befriedigen. Nicht nur an Konsumguetern, auch indirekte Bedruefnisse. Etwa ueber Steuern die Ausgaben fuer Bildung, Soziales und, besonders in den USA, Infrastruktur.

Die Reichen und Superreichen koennen es durch ihren Einfluss verhindern das sie proportional ihrem Geldvermoegen Steuern zahlen muessen. Dadurch kann der Staat das Geld ueber Steuern nicht mehr dem Wirtschaftskreislauf zufuegen. Und als volkswirtschaftlicher Ausgleich ist die Produktion von Luxusgueter fuer Reiche leider nicht allzu relevant.

.

Die Perspektive der Experten

In den 90ern einigte man sich in Expertenkreisen auf neue Indikatoren die die reale Wirtschaft besser beschreiben als das BSP. Der wichtigste davon ist der ISEW (Index of Sustainable Economic Welfare, Index fuer nachhaltigen wirtschaftlichen Wohlstand). Obwohl er auch Umweltverschmutzung und Resourcenverbrauch beinhaltet ist er kein Oekoindex. Er dokumentiert im wesentlichen Wirtschaftsprozesse zentriert auf den Menschen und seine Grundbedruerfnisse. Ruestungsausgaben, die etwa das BSP steigen lassen, koennen den ISEW kaum beeinflussen. Er repraesententiert eher auch den Lebensstandart eines Landes.

Der ISEW der USA zeigt die Entwicklung waehrend und nach Bretton Woods nur allzu deutlich. Nachdem die reale Wirtschaft Anfang der 70er ihren Hoehepunkt erreichte fiel sie seit dem staendig, besonders Anfang der 90er Jahre. Mitte der 90er war damit der Stand der wirtschaftlichen Entwicklung in den USA geringer als Ende der 40er Jahre.

Diese Entwicklungslinie ist bei manchen Laendern, etwa Grossbritannien, sehr aehnlich. Andere, wie etwa Deutschland, konnten durch zunehmende Staatsverschuldung den realen Geldumlauf stuetzen und litten dadurch weniger unter der Geldflucht ins Casino. Durch Staatsverschuldung werden jedoch nur die Folgen auf spaeter verschoben und es droht eher der grosse Knall als der Exitus im Siechtum.

Jedoch nicht nur die Binnenwirtschaft der Laender ist vom Casino Kapitalismus betroffen. Mehr noch ist der internationale Handel und die langfristige Investition in Produktionsanlagen grosser Firmen durch Devisenspekulation bedroht. Anfang der 90er wurde dies in einer RAND Publikation ueberdeutlich beschrieben:

(Auszug)).

Das RAND Institut ist ein der US Air Force nahe stehender Think Tank. Der Titel war "A New Bretton Woods, Rethinking International Economic Institutions and Arrangements". Auch in den Publikationen aus dem Umfeld von Weltbank und IWF wird das Problem aehnlich gesehen. Am drastischten formulierte es Frankreichs Staatspraesident Jacques Chirac mit seinem beruehmten Ausspruch "Spekulanten sind das Aids der Weltwirtschaft". Der Praesident des IWF, Michel Camdessus, konnte dem nur zustimmen: "Die Welt liegt in den Haenden dieser Leute".

Diese Leute sind zum Teil sogar der gleichen Meinung. Der Multimilliardaer James Goldsmith war einer der gefuerchtetsten Spekulanten der 70er und 80er Jahre. Er glaubte an den freien Markt und gehoerte zu den Spekulanten die damals ueber die Industrie Grossbritanniens herfielen. Das Land ist heute eine Finanzmetropole - und eine industrielle Ruine. In den 90ern stand Goldsmith dann aber zu der Fehleinschaetzung seines Lebens. Er meinte, dass die Industrielaender in eine Falle getappt sind und der freie Welthandel verschlinge nun die Gesellschaft, der er angeblich dienen soll. Die Gewinner in diesem Spiel haelt er fuer "die Gewinner eines Pokerspiels auf der Titanic". Der Untergang wird folgen, er fuerchtet den Einsturz der Demokratien.

Goldsmith kam erst in seinem Lebensabend zu dieser Einsicht. George Soros predigt das gleiche waehrend er im "Greed Game" spielt. Er ist der gefuerchtetste Spekulant der 90er Jahre: "Wir versuchen unsere Politik mit Deutschland, Grossbritannien und George Soros abzustimmen" (Strobe Talbott, stellvertretender US-Aussenminister). Soros verurteilt das Spiel in dem er selbst sehr erfolgreich ist. Er sieht die Bedrohung durch den Siegeszug eines unkontrollierten Raubkapitalismus und erwartet in der nahen Zukunft den Kollaps des Weltfinanzsystems. Statt eines Knalls prophezeihen andere, wie der Oekonom Lester Thurow vom MIT, den Industrienationen "einen schleichenden Untergang wie dem alten Rom".

Was auch immer passiert, entscheidend fuer die schwere der Folgen ist die soziale Stabilitaet eines Landes. Diese wurde aber, vor allem in den USA, durch den Casino Kapitalismus deutlich geschwaecht. Anfang 1996 beleuchteten Business Week und New York Times ("The Downsizing of America") das Problem. Bei einer arbeitenden Bevoelkerung von 120 Millionen leben in den USA 50 Millionen an oder unter der offiziellen Armutsgrenze. Eine Stiftung, die Suppenkuechen fuer Armenspeisungen fuer 10% der Bevoelkerung unterhaelt, berichtete wonach im Jahre 1995 27% ihrer Besucher berufstaetig waren. Sie hatten trotzdem nicht genug zum Leben. Gleichzeitig sind mehr als 100 Millionen Amerikaner besorgt, dass ihr gesammtes Familien Einkommen nicht die Ausgaben deckt. Da sah auch Soros.

Waehrend die Sparquote der US Haushalte in den 60er und 70er Jahren um 8% des Einkommens lag fiel sie bis 1997 auf 0,1%. Die Ursache ist kein Konsumrausch, eher das Gegenteil. Die Leute hatten am Monatsende frueher mehr uebrig als heute. Nach dem ISEW ist der Lebensstandart der Menschen deutlich gesunken. Obwohl heute die Familien im Vergleich zu den 60ern die doppelte bis dreifache woechentliche Arbeitszeit ableisten. Die Realloehne sind seit Mitte der 70er Jahre staendig gefallen waehrend das Vermoegen der Top 1% der Bevoelkerung sich verdoppelt hat. Die Schlussfolgerung eines Analysten der New York Times: "Eigentlich fuehren wir ein enormes soziales Experiment durch. Wie wenn man einen Dampfkochtopf auf den Herd ueber die Flamme stellt um zu sehen wie lange es dauert bis er explodiert."

Eine solche Explosion kann ploetzlich ausbrechen. Aufruhr, Pluenderungen und wenn die Polizei nicht mehr Herr der Lage wird kommen Nationalgarde und Armee, das Kriegsrecht wird verhaengt. Die Befehlshaber dieser Truppen aus regionalen Garnisonen haetten dann die Macht. Aber was, wenn diese Leute zusammen mit anderen dafuer sorgten, dass es geplant zum Ausbruch kam? Ein aehnlicher Putschversuch wurde in Deutschland anfang der 20er Jahre durch einen Generalstreik zum Kollaps gebracht. Diese Abwehrmoeglichkeit haben die USA nicht.

Statt einer sozialen Explosion ist auch ein langsamer Weg denkbar. Aus Angst vor Aufruhr koennten die buergerlichen Freiheiten immer mehr eingeschraenkt werden. Lokale und regionale Machtgruppen - Polizeichefs, Politiker, Banker, Militaers - koennen dadurch mehr Macht erhalten als vorgesehen. Das Szenario waere dann aber irgendwann wieder genauso. Regionale Machtgruppen von Militaer, Wirtschaft und Medien stehen sich gegenueber und fordern Zugestaendnisse von der Bundesregierung.

Vieleicht waren solche langfristigen Stabilitaetsfragen auch mit Hintergrund der RAND Studie. Im US Militaer gibt es Ueberlegungen was im Falle eines Buergerkrieges geschehen koennte. Die Marine wird wohl zur Bundesregierung halten, sie uebte bereits in den USA Haeuserkampf in Hochhausvirteln zusammen mit NATO Partnern. Die Army wird sich wohl regional orientieren, vieleicht ebenso die Basen der Air Force. Bei dieser Perspektive wird es verstaendlich wenn manche Beobachter am 11. September 2001 die Luft anhielten. Und nach 24 Stunden beruhigt waren, dass es nur ein Terror Anschlag war. Ein Buergerkrieg in den USA waere auch fuer den Rest der Welt der Vorbote des Untergangs.

.

Die Suche nach dem Ausweg

Die groesste Bedrohung geht von den Spekulationen am Devisenmarkt aus. Bereits Anfang der 70er Jahre hat der Nobelpreistraeger James Tobin eine spezielle Steuer vorgeschlagen. Diese, seither als "Tobin Steuer" bekannt, soll besonders kurzfristige Spekulationen prozentual besteuern. Man haette damit ein einstellbares Daempfungselement im Marktgeschehen gehabt und gleichzeitig Geld erhalten um Zentralbanken bessere langfristige Einflussmoeglichkeiten zu geben. Viel diskutiert ist diese einfache und wirkungsvolle Idee aber nie realisiert worden.

Ebenso wenig erfolgreich war der deutschen Finanzminister Oskar Lafontaine ab Oktober 1998. Er forderte offen die Rueckkehr zu Bretton Woods. Die Leitwaehrungen der Welt sollten mit festen Wechselkursen verbunden werden. Um diese Kurse sollten nur Schwankungen von 10 bis 15% erlaubt sein. Damit haetten die Staaten wieder die Kontrolle ueber die Kurse gehabt und langfristige strategische Spekulationen (wie in der RAND Studie eindringlich beschrieben) unmoeglich gemacht. Lafontaines Vorschlag fand Unterstuetzung in Europa und Japan, aber nicht in US Finanzkreisen.

Am 11. Maerz 1999, nach nur 4 Monaten Amtszeit, trat Lafontaine voellig ueberraschend von allen politischen Aemtern zurueck und ist seit dem Privatmann. Bevor die Presse davon erfuhr, wahrscheinlich sogar vor dem deutschen Bundeskanzler, wussten es Broker an der New Yorker Boerse. Die Boerse reagierte freundlich. Das Schicksal dieser beiden Versuche konnte eigentlich nicht ueberraschen. Der Devisenmarkt ist vor allen Dingen ein strategisches Machtinstrument. Die hauptsaechliche Geldsumme dort ist keineswegs auf eine grosse Zahl von Spieler verteilt. Viele Regierungschefs, vor allem kleiner und mittlerer Nationen, handeln im Interesse ihrer Laender wenn sie die Wuensche dieser Leute aktzeptieren. Das unmittelbare Wohl und Wehe von gut drei Viertel der Weltbevoelkerung haengt von deren Willen ab. Warum sollten diese Leute ihren Einfluss aufgeben?

Auf direktem Wege durch die Vordertuer gibt es also keinen Ausweg. Verschiedene andere Konzepte wurden schon angedacht. Eine Kommune aehnliche Wirtschaft auf Tauschhandel und Subsistenzwirtschaft waere aber zu primitiv um als Alternative zu dienen. Einen solchen Rueckschritt ins Mittelalter gilt es ja zu vermeiden. Um etwas wie Geld geht kein Weg herum.

Mitte der 90er wurde dann von manchen Gruppen propagiert man solle doch die Arbeit der Hausfrauen und die Kindererziehung richtig bezahlen. Dies waere moralisch sinnvoll und haette sehr guten Einfluss auf die reale Wirtschaft, besonders den Geldumlauf. Aber das Grundproblem ist ja, dass die reale Wirtschaft und der Staat bereits ueber zuwenig Geld verfuegen. Und das Casino waere sicher nicht bereits Geldmittel dafuer abzugeben.

.

Cybermoney

Ein interessanterer Ansatz ist das Erzeugen von elektronischem Geld, "E-Cash", Cybercoins, konvertiert aus realem Geld. Es waere die optimale Grundlage fuer Micropayment. Dies ist die Idee ueber das Internet mit minimalem Aufwand kleine und kleinste Geldbetraege von User zu User ueberweisen zu koennen. Die Mathematischen Grundlagen dafuer, aus der Kryptologie, existieren bereits seit den 80er Jahren.

Das Cryptron waere das ideale Geraet gewesen diese Algorithmen sicher laufen zu lassen. In der einfachsten Zahlungs Version haette es sich um signierte persoenliche Wechsel gehandelt. Zahlungsanweisungen die ueber eine einfache Verwaltungssoftware gepoolt worden waeren. Wirtschaftlich sicher funktioniert haette es vieleicht erst nach Einfuehrung des deutschen Signaturgesetzes. Erst das haette jeden Wechsel rechtsverbindlich gemacht.

Die aufwendigste aber auch vielversprechendste Zahlungs Version waere der Transfer von Cybercoins gewesen. Diese waeren von einer mit der Cryptron-Gesellschaft verbundenen Cyberbank erstellt worden. Der Transfer waere ueber das Cryptron des Users und diese Bank erfolgt. Sogar die Anonymitaet von Sender und Empfaenger waere im Prinzip moeglich gewesen.

Beide Payment Versionen haetten aus finanzwirtschaftlicher Perspektive gut durchdacht werden muessen. Es waere hier langfristig zur Entstehung einer neuen Art von Geldmenge gekommen. Zwar waere sie zunaechst auf die Landeswaehrungen aufgesetzt gewesen. Aber es haette sowohl die Chance als auch die Gefahr bestanden, dass sie sich von dieser loest.

Das im Casino zirkulierende Geld stammt auch nicht nur aus der realen Welt. Durch finanztechnische Kunstgriffe war es moeglich virtuelle Gelddruckmaschinen zu erzeugen. Geschieht so etwas unkontrolliert fuehrt es sehr schnell zum Kollaps des Systems. Mit entsprechender Planung und Vorsicht kann man aber eine Geldmenge erzeugen die der realen Wirtschaft dient und vom Casino relativ unabhaengig ist. Die Kriterien von Bretton Woods haette man dann auch erfuellen koennen. Und das alles waere machbar gewesen ohne das Casino zu stoeren oder groessere Gelder von dort abzuziehen. Dies war die langfristige Perspektive.

Kurz- und Mittelfristig waere es beim Cryptron um den Aufbau eines Marktes ueber das Internet gegangen. Zunaechst um die bestehenden Anbieter dort sicherer mit ihren Kunden zu verbinden. Vor allem sicherer fuer die Kunden. Denn bei dem bestehenden Online Banking sind praktisch nur die Kunden von der unsicheren Technik bedroht, nie die Banken. Durch das Cryptron waeren auch sehr viel mehr Anbieter ins Internet gegangen. Die derzeitigen Gratisangebote dort, hinter denen Finanzgiganten stehen, haetten Konkurenz durch Kleinanbieter bekommen. Diese haetten ueber Micropayment ihre Dienste angeboten, manche sogar auf Basis freiwilliger Zahlung - der Kunde zahlt nur wenn er genug Geld hat und nur soviel es ihm Wert ist.

Man denke hier vor allem auch an Internet User in der 3. Welt. Diese Menschen sollen durch das Internet ja nicht noch aermer werden. Aber auch fuer die 1. Welt haette dies neue Perspektiven eroeffnet. Leute haetten direkt fuer ihre intellektuellen Leistungen bezahlt werden koennen. Besonders etwa Kuenstler, Autoren, Lehrer und Berater. Was wenn Journalisten unabhaengig von der Finanzmacht ihrer Verlage ihre eigene Meinung verkaufen koennen?

Vieleicht war es kein Zufall, dass unabhaengige Denker, wie etwa Wau Holland, von den grossen Massenmedien bisher ignoriert wurden. Mancher hat darin sicher eine Bedrohung fuer den gegenwaertigen Zustand unserer Gesellschaft gesehen. Es wurde auch schon die Vermutung ausgesprochen, das Scheitern aller bisherigen Versuche zur Einfuehrung von Micropayment koennte auf entsprechender Einflussnahme von Regierungs- und Finanzkreisen beruhen. Sicher enthaelt alles Neue potentielle Gefahren. Sicher auch koennte Micropayment per Internet die Gesellschaft langfristig positiv veraendern. Das Risiko so weiter zu fahren wie bisher duerfte nach dem weiter oben dargelegten weitaus hoeher sein als jedes Risiko das von Micropayment und Internet ausgehen koennte.

.

Klein- und Microgeschaefte

Das Cryptron sollte nicht nur der Zahlung dienen sondern auch zur rechtsverbindlichen Vereinbarung von Geschaeften. Das deutsche Signaturgesetz macht dies leicht moeglich. Nicht nur um von einem Anbieter Produkte zu kaufen. Auch Vertraege zwischen Usern waeren einfach geworden, am interessantesten waeren Dienstleistungen in der Groessenordnung von Kleingeschaeften. Etwa Reperaturen von Haushaltsgeraeten, kleinere Handwerksarbeiten oder Beratungen.

Solange der Steuerfreibetrag nicht in entsprechender Hoehe ist koennte dies als foerderung der Schwarzarbeit interpretiert werden. Eine Verschluesselung kann hierbei rechtliche Probleme vermeiden. Ein einzelner Auftrag koennte im Klartext rechtsverbindlich praesentiert werden ohne Steuerprobleme mit der Summe der monatlichen Auftraege zu provozieren. Ein Handwerkersterben ist daraus nicht zu erwarten, eher eine allgemeine Zunahme von Aktivitaeten im Umfeld kleiner Leute. Und welcher Handwerker kann sich bei heutigen Kosten noch einen Handwerker leisten?

Unterhalb solcher Kleingeschaefte gibt es noch private Arbeitszeitverpflichtungen die haeufig nicht als Geschaeft gewertet oder Empfunden werden. Vorgaenge die oft im Verwandten oder Bekanntenkreis ablaufen. Etwa Zusagen zum Babysitten, Schulhilfe, Putzen, Einkaufen, Gartenarbeit, Betreuung von Kindern oder von aelteren Menschen. Um so etwas ueber das Cryptron zu arangieren haette man nicht einmal einen extra Vertrag aufsetzen muessen. Das Cryptron haette auch eine Sprach-Signierung und Dokumentierung beherrscht.

Mancher mag einwenden, dass es dazu nicht eines rechtsverbindlichen Dokumentes bedarf. Denn wer eine Zusage macht sollte sie auch so halten. Und niemand wuerde jemand wegen einer nicht eingehaltenen Zusage zur Gartenarbeit verklagen. Bei solchen Microgeschaeften ist das Cryptron auch eher als psychologisches Instrument anzusehen. Es uebt etwas Druck auf die Person aus zu ihren Zusagen zu stehen. Der Druck ist weniger die Angst vor einem Gerichtsprozess. Eher der einer Schaedigung des Rufes, da die eigene Unzuverlaessigkeit durch ein solches Dokument offensichtlich werden kann.

.

Der Reputations Manager

Damit kommt man zu einer sehr bedeutenden Aufgabe des Cryptrons die bisher nie in groesserem Rahmen diskutiert wurde. Eine Aufgabe ohne die alles bisher zu Zahlungen und Geschaeften gesagte nicht wirklich sinnvoll funktionieren kann. Ueber das Internet wuerde ein Markt mit einer extrem grossen Zahl von Anbietern entstehen. Zaehlt man dazu noch Anbieter von Microgeschaeften im geografischen Umfeld hinzu, so ist klar, dass das Angebot unuebersehbar wird. Und welchem Angebot, welcher Person ist entsprechend zu trauen? Werbung und Mund- zu Mund Propagande ist hierzu keine Loesung.

Dieses Problem wurde bereits 1997 in Internetkreisen zur Qualitaetsbewertung der unzaehligen Websites angedacht. Man kann es loesen in dem jeder User fuer ein Angebot oder eine Person eine Wertung abgibt. Aus der Summe dieser Bewertungen setzt sich dann der Ruf einer Website, eines Produktes oder einer Person zusammen. Inzwischen gibt es bereits Dienste die dies ansatzweise realisieren. Das Problem ist nicht einfach. Es reicht nicht nur positive und negative Clicks zu sammeln. Wichtig ist auch welchen Ruf die Person hat die die Wertung abgibt. All das wird dann ueber eine Reputations Manager Software verwaltet. Mathematische Theorien zu solchen Bewertungsnetzwerken existieren bereits, auch praktische Versuche in kleinerem Umfeld.

Eine Ausdehnung des Reputations Managers auf die breite Internet Userschaft setzt aber noch psychologische Untersuchungen vorraus wie man die Bewertung und ihre Praesentation sozial vertraeglich optimal gestaltet. Besonders die Bewertung von Personen nach verschiedenen Kriterien (etwa Zuverlaessigkeit, Charakter, Fachkenntnis, allgemeine Sympathie) ist nicht nur ein technisches sondern auch ein psychologisches Problem. Letztlich entsteht durch den Reputations Manager ein Ruf der vielen Menschen sehr wichtig ist. Dieser Ruf ist manchen Menschen sicher mehr wert als Geld. Man hat es bei dem Ergebnis dieser Bewertungen mit etwas zu tun was man fast schon mit Geld vergleichen kann. Hierbei ist wieder das Cryptron unentbehrlich. Es muss sicherstellen das Input und Output des Reputations Managers verschluesselt und signiert ohne Manipulationsmoeglichkeit funktioniert. Denn bei finsteren Anbietern besteht sicher der Wunsch daran zu drehen. Wer heute Millionen fuer Werbung und PR ausgibt wuerde nicht scheuen seinen Ruf durch technische Manipulation zu verbessern.

Mit einem sicheren Reputations Manager eroeffnet das Cryptron eine voellig neue Perspektive. Das Cryptron sollte zunaechst mit minimalem Aufwand rechtsverbindliche Abmachungen ermoeglichen. Dies soll zu Dienstleistungen und damit auch zu Kontakten zwischen Menschen fuehren. Es besteht Grund zu der Annahme, dass aus solchen Kontakten sich nicht nur Geschaeftsbeziehungen sondern auch soziale Kontakte ergeben. Dieses enger knuepfen des sozialen Netzes und damit einhergehende Taetigkeiten sind das eigentliche Ziel. Dies ist keine utopische Hoffnung sondern eine Vorstellung beruhend auf geschichtlicher Erfahrung.

Der Mensch ist seit Jahrtausenden gepraegt durch die Dorfstruktur. Jeder kannte jeden und es gab allgemein aktzeptierte Regeln des Zusammenlebens. Dorfmitglieder hatten ihren Ruf, ein persoenliches Ansehen das von ihren Mitmenschen definiert wurde. Genau das gleiche was mit dem Reputations Manager nun ueber das Internet in weltweitem Masstab moeglich waere. Auch hier kann man sich dann einen guten Ruf aufbauen. Wir waren frueher eine Gesellschaft noch ohne schriftliche Gesetze und ohne Geld, und trotzdem funktionierte es ueber Jahrtausende.

Hier soll nicht argumentiert werden, dass man auf Gesetze und Geld verzichten koenne. Wesentlich ist, dass der Mensch offenbar in der Lage ist durch die Kraft sozialer Bindungen auch ohne diese Dinge als Teil eines Gemeinwesens zu funktionieren. Diese sozialen Bindungen wurden in den letzten Jahrzehnten zu einem Mythos erklaert und propagiert sie durch Geld zu ersetzen. Das Leben solle aus dem Anhaeufen von Geld bestehen und alles andere sei weltfremd.

Die derzeitigen Wirtschaftsstrukturen lassen nicht ohne weiteres erkennen warum ein guter zuverlaessiger Charakter ein Vorteil sein soll. Mit dem Reputations Manager sieht die Sache anders aus. Ein guter oder zumindest ein neutraler Ruf waere Voraussetzung um jemand im eigenen Haus arbeiten zu lassen. Und es gibt auch Arbeiten wo der Charakter wichtiger ist als Fachkenntnis. Etwa bei der Betreuung aelterer Menschen. Und fast jeder wird mal alt.

Warum soll ein Rentner all sein Geld in Wertpapiere anlegen wenn er doch letztlich auch an Dienstleistungen von Personen aus seiner unmittelbaren geographischen Umgebung interresiert ist? Sich hier Kontakte aufzubauen die man spaeter, wenn man sie wirklich braucht, auch nuetzen kann, ist sinnvoller als mit dicker Brieftasche dann nach entsprechenden Firmen ausschau zu halten. Denn diese sind auch darauf spezialisiert aeltere Leute legal auszunehmen. Viele Zivis koennen traurig berichten wie alte Menschen in Heimen behandelt werden. Das Geld geht nicht an die die dort arbeiten sondern an die die es organisieren. Die dann von ihrer Jacht im Mittelmeer anrufen und "den Leuten mal Beine machen." In Zukunft wird es immer mehr Rentner geben und immer mehr junge Leute ohne Geld oder ausreichendes Einkommen - aber mit Charakter der sich auszahlen koennte.

Letztlich kann der Reputations Manager der Gesellschaft etwas neues geben Ein System in dem auch ideelle Werte messbar und real werden. So wie der Fortschritt der Kommunikationstechnik in den 70er Jahren Bretton Woods zu Fall brachte haette er 30 Jahre spaeter mit Internet und Cryptron die Moeglichkeit zu einem realen Utopia geoeffnet. Ein Wirtschaftssystem in dem es allen besser geht und der Charakter des Menschen eine zu pflegende Resource ist.

Wer auch immer Boris F. umbrachte und das Cryptron Projekt damit beendete, ausgeschlossen das ihnen die Tragweite ihres Handelns bewusst war. Man kann nur hoffen, dass es Loesungen mit mehr Erfolg geben wird und man nie erfahren muss welche Zukunft abgewendet wurde.

***
Impressum